Interview mit Patrick Chaplin

Patrick Chaplin, oder richtig Dr. Patrick Chaplin, ist der führende Dart Historiker der Welt und der einzige mit einem tatsächlich erarbeiteten Doktor Titel in diesem Fachgebiet. Für Chaplin begann die Beschäftigung mit der Geschichte des Dartsports vor ziemlich genau 30 Jahren als Hobby, inzwischen ist es Leidenschaft und Berufung geworden.
Patrick Chaplin hat zahlreiche Bücher über Dart geschrieben darunter "The Official Bar Guide to Darts" 2010, "180! - Fascinating Darts Facts 2012, seine Dissertation "Darts in England 1900 - 1939: A Social History" 2006 und er arbeitet gerade an einem neuen Buch, das unter dem Titel "Skills, Technique, Tactics" in diesem Jahr erscheinen soll. Neben seinen eigenen Büchern war Chaplin auch als Co-Autor an den Biografien von John Lowe, Trina Gulliver und Bobby George beteiligt. Chaplin hat eine eigene Internet Seite und gibt monatlich den DDN Newsletter (Dr.Dart's Newsletter) heraus, den man über seine Seite abonnieren kann. Neben seiner Autoren-Tätigkeit ist er auch wissenschaftlicher Gastmitarbeiter an der Anglia Ruskin Universität in Cambridge, an der er auch promoviert hat.
Durch die Arbeit an meiner Seite und meinen Versuch noch mehr über die Entwicklung des Dartsports in Deutschland herauszufinden, hatte ich schon längere Zeit Kontakt zu Patrick Chaplin. Während der Winmau World Masters in Hull habe ich ihn und seine Frau endlich auch persönlich kennen gelernt und dabei ist das folgende Interview entstanden.




Patrick, spielst du selbst auch Dart und wie gut bist du?

Ich habe mit dem Dart spielen angefangen, als ich um die 12 Jahre alt war und ja, ich spiele immer noch. Ich würde sagen, ich bin ein durchschnittlicher Pub Spieler. Ich war gerade dabei besser zu werden, als ich Dartitis bekam, was alle Hoffnungen, die ich damals hatte, zunichtemachte. Aber heute spiele ich wieder ganz gut, aber nur mit Freunden in meinem Pub.

Wie ist denn dein beruflicher Hintergrund?

Ich habe viele Jahre lang für das Land Essex gearbeitet und zwar sowohl in der Finanzverwaltung als auch hauptsächlich im Bereich Bildung und Erziehung. Als ich das Angebot mit 54 Jahren in den Ruhestand zu gehen, habe ich es getan. Das war zu der Zeit, als ich mich immer stärker mit der Geschichte des Dartsports beschäftigte und anfing Bücher zu schreiben - alleine und auch zusammen mit Spielerstars wie John Lowe, Bobby George und Trina Gulliver.
Zuerst hat ja meine Frau noch gearbeitet und da hat es gut geklappt. Jetzt ist sie aber auch in Ruhestand und da ist das nicht mehr so einfach. Ich könnte nicht nur von meinen Büchern leben...

Wie kam es denn, dass du angefangen hast dich mit der Geschichte des Dartsports zu beschäftigen?

Es fing damit an, dass ich für mein Pub Team vom Blue Boar in Maldon, wo ich zuhause bin, einen Newsletter zusammenstellte. Zwischen die Spielberichte habe ich kurze Abschnitte mit Klatsch und Tratsch und auch mit Auszügen aus Derek Browns Guinness Book of Darts eingefügt. Es stellte sich schnell heraus, dass die Spieler die historischen Teile besonders mochten. Dann fragte mich eines Tages ein Freund, wie denn eigentlich die Geschichte des Sports wirklich ausschaute und ich antwortete: "Lass mir zwei Wochen Zeit und ich werde es für dich herausfinden."
Das war 1985 und sieben Bücher und einen Doktor Titel später arbeite ich immer noch daran! Den Doktor Titel bekam ich von der Anglia Ruskin Universität in Cambridge 2006 für meine Dissertation "Darts in England 1900 - 1939: A Social History" verliehen. Das war harte Arbeit. Am Anfang war es wirklich nicht einfach die Dissertation zu schreiben. Ich musste natürlich einen akademischen Ansatz nehmen - und davon hatte ich keine Ahnung, aber am Ende habe ich es dann doch geschafft.

Gab es denn vor dir schon jemanden, der versuchte diese Art von Informationen zu sammeln?

Da gab es tatsächlich nur Derek Brown, der für den Daily Mirror über Sport und Dart schrieb, der ernsthafte Forschung betrieb und die meisten seiner Ergebnisse im Guinness Book of Darts 1981 veröffentlichte. Das war zunächst mein Ausgangspunkt. Da habe ich also angefangen und habe dann auch die alten Ausgaben von Darts World durchgesehen und die wenigen Bücher zum Thema, die seit 1930 in England veröffentlicht worden waren und von denen die meisten überhaupt nichts über die Geschichte des Sports enthielten. Die übrigen Informationen habe ich in hunderten anderer Dokumente und Stellen überall in Großbritannien und sogar in anderen Teilen Europas gefunden.

Wie schaut es denn in anderen Ländern aus?

Dan Peek hat sich größte Mühe gegeben, die Geschichte des Dartsports in Amerika zu verfolgen. Seine Entdeckungen hat er 2001 veröffentlicht, aber niemand dort hat sich mit akademischer Sorgfalt dem Thema gewidmet und so wie es im Augenblick ausschaut wird sich das trauriger Weise auch nicht ändern.
Über die Geschichte des Sports in anderen Ländern gibt es so gut wie kein schriftliches Material.

Wie schwierig ist die Forschung?

Als ich mich Mitte der 1980er Jahre auf die Suche nach der Geschichte des Dartsports machte, waren die Nachforschungen extrem schwierig. Die Quellen waren extrem beschränkt. Es war eben so, dass vor mir noch niemand diesen Pfad betreten hatte und wo es vielleicht doch geschehen war, waren nur unzählige Mythen entstanden, Mythen, die ich alle überprüfen musste, um die tatsächlichen Fakten zu enthüllen.

Was sind denn deine wesentlichen Quellen? Gibt es denn so etwas wie Quellen überhaupt?

Es gibt schon Quellen, aber die sind sehr gut versteckt, viel findet sich in den Archiven von Brauereien, in lokalen und nationalen Zeitungen, Journalen oder Zeitschriftenartikeln, in Büchern, Patenten, Ephemera und Druckmaterialen, in Korrespondenzen und Interviews.
Eine der wichtigsten Quellen waren die Interviews mit Menschen, die dabei waren, als die Ära des modernen Dartsports in den 1930siger und 1940ziger Jahren begann. John Ross war ein extrem wertvoller Zeitzeuge - er fing 1920 an Dart zu spielen und war Jahrzehnte in Dartorganisationen eingebunden. Es gab nur wenig Material bei den Dartherstellern in England, weil viele Unterlagen zerstört worden waren aber es ist mir schließlich doch gelungen die Geschichte des Darts und der Dartboard Herstellung in England zu rekonstruieren, besonders im Ostteil Londons.

Wie schaut es denn bei den ganzen Vereinen und Pub Teams aus?

Einige davon gibt es ja wirklich schon sehr lange aber trauriger Weise haben sie überhaupt keine Aufzeichnungen. Es wirkt so, als hätte jeder neue Vorstand oder jedes neue Komitee, das gewählt wurde, die Aufzeichnungen der Vorgänger ignoriert. Einiges ist einfach verschwunden. Es hängt oft davon ab, wie interessiert die Leute an der Geschichte sind. Es gibt natürlich auch Vereine, die selbst alte Score Blätter aufgehoben haben, die sehr weit zurückreichen, aber das ist die Ausnahme.

An wieviel können sich die Menschen denn noch erinnern?

Bei meinen Nachforschungen ist es enorm wichtig, sich mit Spielern und den Leuten, die in die Organisation involviert waren, zu unterhalten. Menschen wie Olly Croft - ehemaliger Chef der BDO und zum Beispiel Doug McCarthy - ehemaliger englischer Nationalspieler. Diese Männer haben Erinnerungen, die weit in die Vergangenheit zurückreichen und können mir dabei helfen die Geschichte des Sports zusammenzusetzen. Ich habe auch eine Menge von Frank Wolfe erfahren, der in den 1940er Jahren eine Dartzeitschrift mit dem Namen "The Dart" herausgegeben hat. Ich kann nur immer wieder betonen, wie wichtig es ist, mit diesen Leuten zu reden, solange sie noch bei uns sind.

Glaubst du, dass sich die Menschen für die Geschichte interessieren?

Menschen, die mit Dart zu tun haben sind immer bereit sich mit mir zu unterhalten. Viele meiner Forschungsergebnisse erscheinen jetzt im Dr. Dart's Newsletter (DDN), den ich an Fans in mehr als 90 Ländern verschicke. Ich bekomme eine Menge Feedback und auch Fragen dadurch und auch über meine Internet Seite. Aber man muss sagen, dass die Menschen, die sich nicht so mit dem Sport beschäftigen, auch nicht daran interessiert sind. Aber ich will sie bestimmt nicht kritisieren, für mich ist zum Beispiel Fußball überhaupt nicht interessant!

Kommen die Leute auch mit ihrem Wissen zu dir oder nur mit ihren Fragen?

Ich bekomme beides - Informationen und Fragen und oft die Reaktionen auf die DDN Artikel. Und manchmal bekomme ich sogar Vorschläge für neue Artikel.

Hast du den Eindruck, dass das Interesse an der Dartgeschichte wächst? Und möglicherweise auch das Bewusstsein, wie wichtig es sein kann, diese Dinge festzuhalten?

Meine Antwort darauf ist eindeutig ja, wenn ich mich auch manchmal frage, wie die Situation heute wäre, wenn ich nicht in den 1980er Jahren mit meinen Nachforschungen angefangen hätte. Und ich denke auch, dass auf jeden Fall meine Seite und auch der DDN eine wesentliche Rolle dabei spielen, meine Entdeckungen an die Dart Fans weiter zu geben.

Vielleicht wurde nur so wenig aufgezeichnet, weil Dart für die meisten nur ein Freizeitvergnügen war?

Das ist sicher einer der Gründe. Aber es gibt noch andere. Der Dartsport wurde von den Akademikern und Wissenschaftlern überhaupt nicht beachtet und als etwas für die Arbeiterklasse abgetan, zumindest bis ich mit meiner Arbeit begann, die mir 2006 zu diesem Thema den Doktortitel brachte. Aber ich würde meinen, dass nur ein kleiner Teil der Dartspieler und der Fans an der wirklichen Geschichte unseres Sports interessiert sind. Meine Bücher verkaufen sich allerdings ganz gut, vielleicht täusche ich mit auch in diesem Punkt.

Würdest du Dart als Sport definieren?

Ich würde sagen, dass hängt davon ab, auf welchem Level du spielst. Du kannst es als Hobby betrachten, dem du mit Freunden in deinem Pub nur so zum Spaß nachgehst. Aber wenn du dir das professionelle Level anschaust - da würde ich Dart auf jeden Fall als Sport definieren. Aber was auf jeden Fall sicher ist, ist, dass Dart etwas ganz besonderes an sich hat - es macht Spaß und es ist eine soziale Aktivität. Jeder kann es auf dem Level spielen, auf dem er oder sie es möchte.

War es denn immer schon ein Sport?

Nein. Viele Jahre war es ein Freizeitvergnügen für die Arbeiter Klasse - ein Pub Spiel, aber die BDO hat in den 1970er Jahren das alles verändert. Der Dartsport wurde langsam ernst genommen und schließlich von den Sport Gremien in Großbritannien 2005 als Sport anerkannt. Was man damit langfristig erreicht hat ist umstritten. Was aber klar ist, ist dass die Stärkung des professionellen Spiels durch die Professional Darts Corporation (PDC)es dem Sport ermöglicht hat weiter zu wachsen, als man sich das in den 1980er Jahren überhaupt hat vorstellen können.

Kannst du dir vorstellen, dass der Dartsport wirklich eines Tages Teil der olympischen Spiele sein wird?

Nein - das kann ich mir nicht vorstellen. Da gab es eine große Chance - die olympischen Spiele in London aber aus welchen Gründen auch immer(wahrscheinlich wegen des Zeit Faktors) hat die WDF (World Dart Federation) sie nicht genutzt. Das war die Gelegenheit den Dartsport als Demonstrationssportart in diesem Land zu präsentieren und auch noch dazu in der Stadt, in der alles begann. Nein, wir werden nie Dart bei den olympischen Spielen sehen.
Aber bei den Paralympics schaut es anders aus. Ich kann mir vorstellen, dass dort in nicht allzu ferner Zukunft Dart dabei sein wird. Wenn ich mir Russ Strobel ansehe und das, was er bereits mit seiner WorldDisabality DartsAssociation(WDDA)erreicht hat, kann ich mir wirklich Dart bei den Paralympics eher früher als später vorstellen. Ich bin einer der Administratoren der WDDA und ich werde alles tun, was ich kann, damit die WDDA ihre Ziele erreichen wird.

Was sind für dich die größten Veränderungen im Dartsport?

Die erste wichtige Veränderung fand 1924 statt, als die Brauereien, Lizenzgeber und Dart Organisatoren die Vorteile der Gründung einer National Darts Association (NDA) erkannten, um den Sport zu kontrollieren und Regeln einzuführen. Später dann, 1954, übernahm eine neue Organisation (National Darts Association of Great Britain - NDAGB) die Aufgabe für ein paar Jahre, aber in den 1960ern fand ein Niedergang statt.
Dann wurde ja bekanntermaßen die BDO in London von Olly Croft und seinen Kollegen gegründet und das brachte dem Ball ins Rollen. Alles, was sich in der modernen Ära des Dartsports getan hat, hätte ohne die BDO keine Chance gehabt. Von da an war der Weg des Sports vorgezeichnet. Dadurch war der Sport auch fürs Fernsehen bereit und die Split Screen Technologie machte es möglich, dass die Fans gleichzeitig sehen konnten, wie ein Dart abgeworfen wird und wie er das Board trifft. In den späten 1970ern und den späten 1980ern war Dart in Vereinigten Königreich eigentlich ständig im Fernsehen. Dazu kamen informierte und unterhaltsame Kommentatoren unter ihnen Dave Lanning, Sid Wadell und John Gwynne, die auch eine wichtige Rolle spielten.
Dann wurde 1992 das World Darts Council gegründet (die spätere PDC), die den damals sich auf dem absteigenden Ast befindlichen Sport wieder auferstehen ließ. Sechzehn mutige Spieler trennten sich von der BDO und veränderten den Sport. Die PDC führte den ganzen Rummel ein, die Walk-on Musik, die Walk-On Girls, helle, blitzende Scheinwerfer und wie es scheint, die Mitwirkung der Zuschauer, aber darüber hinaus brachte die Organisation auch einen direkten Fokus auf die professionellen Dartspieler mit sich.

Wenn man sich die Zeitungen so anschaut, scheint dort Dart immer noch kein Thema zu sein.

Die Berichterstattung über den Dartsport war in den 1970ern und bis Anfang der 1980er viel weitverbreiteter. Ein Großteil der nationalen Zeitungen des Vereinigten Königsreichs hatte Dart Kolumnen, die die Fans auf dem Laufendenhielten darüber, war in ihrem Sport los war. Damals gab es ja auch noch das News of the World Turnier und die gleichnamige Zeitung berichtete regelmäßig über das Turnier, aber in den 1990ern hat es aufgehört.
In der Regenbogenpresse gibt es immer noch eine gute Berichterstattung. Aber ich glaube, dass bis heute die meisten der "ernsthaften" Zeitungen Dart immer noch als eine Art Vergnügen der Arbeiterklasse betrachten und nicht darüber berichten.

Frauen-Dart scheint immer noch nicht anerkannt zu sein.

Das kann ich mir auch gar nicht erklären. Wenn man sich die Weltmeisterschaften und auch die World Masters in den letzten Jahren angesehen hat, gab es da doch wirklich ein paar fantastische Spiele der Frauen. Deta Hedman und Anastasia Dobromyslova waren brillant und sind das auch beständig.
Frauen Dart gibt es schon seit sehr langer Zeit. Schon in den 1930er Jahren gab es Frauen Ligen, aber irgendwie hat das Spiel der Frauen nie die Aufmerksamkeit der Fans auf sich gezogen oder - was vielleicht noch wichtiger ist - die der Sponsoren. Ich will nicht sexistisch sein, aber ich bin immer mehr der Überzeugung, dass man das Spiel der Frauen viel zu sehr mit den viel höheren Scoring Standards bei den Männern vergleicht. Wenn diese Haltung beibehalten wird, wird es immer schwer sein, den Frauensport zu fördern. Aber die Ladies Darts Association(LDA) arbeitet im Vereinigten Königreich und in Teilen von Europa hart daran, das zu ändern. Ich wünsche ihnen wirklich allen möglichen Erfolg, da ich fest daran glaube, dass der Frauendartsport es wirklich verdient, als florierender Sport mit hohem Potential anerkannt zu werden.

Wer sind denn die ersten Frauen Champions von denen du weißt?

Schon seit dem Die News Of The World Meisterschaft in den späten 1920er Jahren ins Leben gerufen wurde, durften auch Frauen daran teilnehmen. Sie kamen aber meistens nicht bis in die Finale. Die erste Ausnahme war eine Miss Eileen Turnage aus Whitham in Essex in England, die im regionalen Finale der News of The World im Mai 1936 unter die letzten Acht kam.
Die erste Frau, die es bis ins große Finale der News Of The World schaffte war Mrs. Morgan vom The Old House at Home Pub in Colen Common im Hampshire, die das Finale des Winchester Bereichs im April 1937 gewann und in die Grand Finals in London einzog. Diese fanden im Juni des gleichen Jahres statt und Mrs. Morgan trat gegen die Finalisten von 31 anderen Bereichen an. Leider schied sie in der ersten Runde aus, aber hatte natürlich trotzdem Dartgeschichte geschrieben.
Der größte weiblich Star der 1970 und 1980 war auf jeden Fall die aus Stoke stammende Maureen Flowers, aber seither gab es im Frauendart jede Menge großer Namen, allen voran wahrscheinlich die neunfache Weltmeisterin Trina Gulliver.

Ist Dart immer schon mehr etwas für Erwachsene gewesen?

Nein. Auch wenn Dart in verschiedenen Formen schon seit vielen Jahren in den englischen Pubs gespielt wird, war es doch um die Wende zum 20. Jahrhundert zunächst als Kinder- oder Familenspiel weitaus populärer. Daneben fand man es auch auf den Rummelplätzen im ganzen Land. Die wachsende Popularität als Pub Spiel für Erwachsene begann tatsächlich erst nach dem Ersten Weltkrieg.

Hast du den Eindruck, dass die jungen Leute heute noch am Dartsport interessiert sind?

Ja, das Interesse wird sogar größer. Allerdings sind die meisten eher am Zuschauen interessiert und nicht am selbst spielen. Es gibt aber auch viele Jugendliche, die an den verschiedenen Dart Akademien überall im Vereinigten Königreich teilnehmen, so dass in Zukunft eine ausreichende Zahl an herausragenden Nachwuchsspielern vorhanden sein wird. Daneben gibt es ja auch noch diejenigen, die sich über das BDO Ranking nach oben arbeiten. Bedauerlicherweise wird in vielen Fällen Dart aber immer noch als Altherrensport betrachtet, was ja wirklich nicht stimmt.

Man hört ja oft, dass es den typischen englischen Pub mit Dartboard immer seltener gibt- ist das wahr?

Das ist nicht die ganze Wahrheit - zumindest nicht überall. Dort wo ich wohne, gibt es immer noch eine große Anzahl von Dartboards in den örtlichen Pubs einschließlich florierender Ligen. Aber während der letzten drei oder vier Jahrzehnte hat sich der gesamte Charakter des britischen Pubs verändert - im Zentrum steht jetzt nicht mehr das Trinken und das Spielen von Pub Spielen, sondern das Essen und die Familien. Heute gehen Familien mit Kindern zum Essen dorthin. Es ist nicht mehr nur ein Ort, an dem man seine Freizeit verbringt und sich entspannt. Aber es gibt, wie ich schon sagte glücklicherweise noch jede Menge Dartboards in den Pubs, aber manchmal sind sie schwer zu finden.

Etwas anderes, was mir aufgefallen ist, ist, dass es jede Menge Leute gibt, die zuschauen, aber nicht selbst spielen wollen...

Das ist tatsächlich so. Normalerweise findet man in Lakeside immer noch die Puristen, echte Anhänger, die gerne zuschauen und das Können der Spieler wirklich schätzen, weil sie selbst wohl auch Dart spielen. Bei der PDC liegt die Betonung aber(mehr als bei der BDO) beim Unterhaltungswertund darauf, sich zu amüsieren. Die heutigen Zuschauer schätzen nicht immer mehr das jeweilige Spiel und halten sich nicht immer an "best of order" während die Spieler am Oche stehen. Sie sind da, um eine Party zu feiern. Bis zu einem gewissen Grad wird auch der Dartsport zu einer "Zuschauersportart", ähnlich wie beim Fußball, wo die Fans auch nur zuschauen, aber selbst nicht spielen.

Was denkst du denn, wie wichtig E-Dart in der Zukunft werden wird?

Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass E-Dart in Großbritannien überhaupt eine Zukunft haben wird, wenn ich auch darauf vorbereitet bin, dass ich mich darin möglicherweise täusche. Hier im Vereinigten Königreich erwarten wir einfach nicht, dass wir fürs Spielen etwas zahlen müssen, aber das könnte sich ja ändern. (Hast du gewusst, dass einer der ersten Dartautomaten überhaupt das Patent von zwei Engländern war?) Sicherlich macht Dartslive in einigen Großstädten in England mit E-Dart Fortschritte.

Wenn du dir die globale Entwicklung des Sports anschaust - was könnte den eine der kommenden Dart Nationen sein, die eventuell sogar die britische Vormachtstellung bedrohen könnte?

Das ist eine sehr schwer zu beantwortende Frage. Holland ist sicherlich seit den späten 1990ern zu einer Top Dart Nation geworden und Barney hat mehrmals die BDO Weltmeisterschaft gewonnen. Zu einem Zeitpunkt hat es so ausgesehen, als könnte sich Indien zu einer Top Nation entwickeln, aber dort hat die Begeisterung in letzter Zeit deutlich nachgelassen. Jetzt schein Jeder über Asien zu sprechen - besonders über Japan. Natürlich könnte das dort passieren, E-Dart ist riesig in Japan, dennoch spielen viele Spieler dort E- und Steeldart.

Wird Dart heute mehr oder weniger global gespielt?

Ja. Auch wenn die World Dart Federation über 60 Mitglieder Staaten hat und die PDC mit Top Wettkämpfen rund um die Erde große Fortschritte macht, habe ich den Eindruck, dass viele Länder einfach nicht am organisierten Dartsport interessiert sind, sie spielen nur zum Vergnügen, was meiner Meinung nach nichts Schlechtes ist. So lange die Menschen Spielen und Spaß an Dart haben ist für mich alles in Ordnung.

Wie kommt es denn, dass der Sport so weit verbreitet ist?

Wenn auch manche Länder außerhalb des Vereinigten Königreichs bereits vor dem zweiten Weltkrieg Dart gespielt haben, begann die globale Entwicklung des Sports doch erst nach 1945. Amerikaner, Kanadier, Australier, Neuseeländer und andere Soldatinnen und Soldaten, die vorher in Großbritannien stationiert waren, nahmen das Spiel mit zu sich nach Hause, während ehemalige Soldaten, die in den Ländern blieben, zum Beispiel auch in Europa, British Legion Clubs ins Leben riefen, zu denen Dart einfach immer dazugehörte.
Obwohl sowohl die BDO als auch die WDF ein wesentliche Rolle dabei spielten, den Dartsport weltweit zu fördern, glaube ich doch, dass mehr als jeder andere, der Mann, der dafür verantwortlich ist, dass sich der Dartsport in den letzten vierzig oder mehr Jahren(und bis heute) der globetrottende Dart Unternehmer Dr. Eddie Norman ist.

Wie schaut deine Vorhersage für die Zukunft des Dartsports aus?

Das ist schwierig zu beantworten. Dart wird immer eine mehr oder weniger große Rolle in den Pubs in Großbritannien spielen. Aber was Dart im Fernsehen anbelangt - ich kann mir schon vorstellen, dass die zuschauende Öffentlichkeit irgendwann vom immer gleichen Format und, normalerweise, auch den gleichen Gesichtern, genug haben wird. Ich würde es gerne sehen, dass 501 auf 701 ausgebaut wird, das wären neue Herausforderungen für die Spieler. Neun-Darter sind ja heute so häufig, dass die Fans schon enttäuscht sind, wenn nicht während eines Major Turniers mindestens einer erzielt wird.
Was nun die Organisationen anbelangt, ist die PDC jetzt schon seit langer Zeit wegweisend und hat die BDO in den Schatten gestellt. Aber die BDO wird überleben, da sie immer noch direkt in die County Organisationen eingebunden ist und sich daneben auch noch um Frauen Dart und um die Jugend kümmert. Wenn aber die English Darts Organisation weiter Fortschritte machen wird so wie jetzt, werden sich die Fans fragen, was denn für die BDO überhaupt zu tun übrig bleibt, zumal das restliche Großbritannien(Schottland, Wales und Nord Irland) ja schon seine festverwurzelten Dart Organisationen hat.
Was die WDF anbelangt, die ja behauptet sie würde den Dartsport global fördern und unterstützen, bin ich mir nicht so sicher. Die nächsten paar Jahre werden das zeigen.
Die PDC kümmert sich ausschließlich um die Profis und was die Zukunft für die Organisation bereit halten wird, wird davon abhängen, wie lange die Fans noch bereit sind, ihr gutes Geld fürs Zuschauen auszugeben, wenn abgesehen von ein oder zwei Gesichtern, immer die gleichen Dartspieler gegen einander antreten. Vielleicht werden auch die Fernsehsender müde Dart zu zeigen, wie das schon einmal in den späten 1980ern der Fall war. Ich hoffe dass das nicht der Fall sein wird. Heraustellen wird sich das wohl, wenn sich Phil Taylor und Barry Hearn zum gleichen Zeitpunkt zurückziehen: etwas, was Taylor in seinem letzten, ziemlich enttäuschenden Buch ganz deutlich macht.
Ich sehe aber eine wirklich große Zukunft für die World Disability Darts Association (WDDA), die in den letzten beiden Jahren schon so viel erreicht hat einschließlich der Anerkennung durch die WDF und das Sponsoring und die Unterstützung von Winmau. Dart für die Behinderten hat eine große Zukunft.

Da du ja schon so lange in den Sport involviert bist, hast du so etwas wie einen immerwährenden Lieblings Dartspieler?

Ich habe zwei davon. Der erste ist Bobby George, der Darter der Menschen und für die Menschen. Er ist eine britische Institution und hat mehr für den Dartsport getan, sowohl mit seinem persönlichen Erfolg und Können als auch als Unterhalter, als jeder andere. Wenn man sich seine beinahe 40 Jahre als Top Dart Spieler anschaut kann man es kaum glauben, dass der Sport, den er am meisten liebt, das Angeln ist.
Mein zweiter Lieblingsspieler muss einfach Eric Bristow sein. Er hat so großen Anteil daran, den Sport zu den Massen zu bringen und ihn während der späten 1970ern und 1980ern populär zu machen. Meiner Ansicht nach hätte der Sport ohne solch unterhaltsame aber auch kontroverse Charaktere wie Eric keine Chance gehabt so lange Zeit im Fernsehen zu überleben.
Bei den Frauen gibt es nur einen einzigen Namen der mir für einen immerwährenden Lieblings Spieler in den Sinn kommt, das ist natürlich Trina Gulliver, MBE.
Unter den momentanen Spitzenspielern bewundere ich die Fähigkeiten von Jamie Caven. Er ist ein Mann der extreme Probleme überwunden hat - mit Diabetes und auf einem Auge blind - um ein Top PDC Spieler zu werden.

Und wer denkst du ist der populärste Dart Spieler aller Zeiten?

Jeder liebte oder hasste Eric Bristow, also sollte man seine Rolle im Dartsport nie unterschätzen. Jocky Wilson war extrem beliebt nicht nur wegen seines ungewöhnlichen Wurfstils und seiner unbestreitbaren Fähigkeiten sondern auch, weil er eine echte Persönlichkeit war.
Heute fehlt es dem Sport an Persönlichkeiten, was überwiegend daran liegt, dass es um so viel Geld geht. Da können die Spieler auf der Bühne gar keinen Unfug treiben. Wayne Mardle war wahrscheinlich der letzte Charakter am Oche, obwohl einem beim Schotten Peter Wright durch sein buntes Outfit und seine Frisur beinahe die Luft wegbleibt, aber nach seinem Einlauf zählen für ihn nur seine Darts.
Natürlich ist der erfolgreichste Spieler aller Zeiten Phil Taylor (zumindest bisher), aber danach hattest du ja nicht gefragt...











Die Bilder wurden mir freundlicher Weise von Dr.Patrick Chaplin zur Verfügung gestellt




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