50 (aber kein Finish!)

Man kann mir zur 50 gratulieren!!! Nein, nicht zu meinem 50. Geburtstag (der leider nur mehr eine verschwommene Erinnerung ist) , sondern zu einem halben Jahrhundert UniBoffin Uniblogs. Wer hätte gedacht, dass man in solcher Ausführlichkeit über die Aerodynamik des Dartsports plaudern kann?

Wie auch immer, unglaublich oder auch nicht, die guten Neuigkeiten (also gut, das hängt vom Standpunkt ab!) sind, dass obwohl 50 ja ein Ein-Dart Finish ist, ich ganz bestimmt noch nicht fertig bin. Deshalb werde ich (um gleich einmal das kollektive Jammern zu Unterbrechen, dass mich über Cyberspace erreicht) bei dieser besonderen Geburtstags-Ausgabe einen Blick auf die wesentlichste Frage der Dart-Aerodynamik werfen, die man stellen kann. Und die lautet natürlich: Ist sie überhaupt wichtig?

Als Ausgangspunkt für eine Antwort darauf, die mich wahrscheinlich arbeitslos machen wird, wechsle ich erst einmal kurz zum Golfsport und zitiere den neuen US Meister Charles Schwartzel, der nach seinem Sieg tiefsinnig meinte: "Ich mache das nicht kompliziert. Es ist schwer genug, so wie es ist."

Ich kann mir vorstellen, dass der arme Rory McIlroy, der vor der letzten Runde mit vier Schlägen vor Schwartzel lag und am Ende mit 10 zurück, dieser Feststellung zustimmen würde. Es ist auch ziemlich sicher, dass das wechselnde Glück während der letzten 18 Löcher nichts mit wissenschaftlichen Detailfragen zu tun hatte. Trotzdem ist aber der Golfsport Thema von mehr aerodynamischer Studien als jeder andere Flugkörper- Sport (sieht man einmal von Formel 1 Rennautos als Flugkörpern ab).

Um dieses Argument zu untermauern, möchte ich eine kurze Textstelle aus dem flott-betitelten "Actual Launch Conditions Overall Distance and Symmetry Test Procedure (Phase II)" zitieren, das von der US Golf Association and R&A Rules LTD herausgegeben wurde und in dem behandelt wird, wie man einschätzt, ob Golfbälle den Regeln entsprechen. "Man nimmt die Abschlagsbedingungen die im Kapitel 5 berechnet wurden sowie CL und CD berechnet in Schritt 6:9, bestimmt die Schlag-Entfernung und die Flugzeit bei Standard- Umweltbedingungen (75 Grad Fahrenheit, 30.0 HG und 50 Prozent relative Luftfeuchtigkeit)

Wie Leute, die schon lange hier mitlesen, wissen, sind ja CL und CD die aerodynamischen Koeffizienten für Auftrieb und Luftwiderstand und die Tatsache, dass sie gerade hier (und sonst nirgends!) in den erfolgreichen Golf Regeln heraufbeschworen werden zeigt, für wie wichtig sie von den ausschlaggebenden Leuten im Golfsport gehalten werden. Wie können wir nun also das dazugehörige Niveau technischer Komplexität damit in Einklang bringen, dass der Sieger eines Major Events den Wunsch hat es "nicht kompliziert" zu machen?

Also ich denke ja, dass das ein Zeichen dafür ist, dass ein Spieler die richtige Ausrüstung hat, wenn er während des Spiels in der Lage ist, derartige Dinge zu vergessen und sich statt dessen auf sein Spiel konzentrieren kann. Und genau nach diesem Prinzip gehe ich auch vor, wenn ich einem Unicorn Spieler helfe, die für ihn passenden Darts zu finden. Die ganzen Flugmodelle und aerodynamischen Einschätzungen zielen nur darauf ab, dass sich die Spieler, wenn sie am Oche stehen, ausschließlich auf die vor ihnen liegende Aufgabe konzentrieren können und nicht darüber nachdenken müssen, ob sie jetzt die richtigen Flights oder Schäfte benutzen.

Und das bringt mich jetzt auch direkt zu einem Thema, dass von meinem letzten Blog noch übrig ist, als ich Giraffes Frage danach, was ich denn von Phil Taylors letztem Dartwechsel hielt nur halb beantwortete, in dem ich ihn auf zwei meiner Blogs von 2008 und 2009 verwies. Diese beschreiben überwiegend, wie Phil, der bereits 13 Weltmeistertitel gewonnen hatte, einen Einbruch in seiner Form anscheinend deshalb überwand, weil er von seinen Purists zu aerodynamisch mehr "vergebenden" Darts wechselte, erst zu den Sigma Pro/Phase 4 und dann zu seinen Phase 5, die ihm später seinen 14. Weltmeistertitel einbrachten.
Dann, im November 2009, wie ich in meinem "Kunstvolle Flights" Blog beschrieb, tauschte Phil die "Slim" Flights seiner Phase 5 in die noch kleineren DXM Flights, die er selbst entworfen hatte. Und dadurch wurden die Darts wieder beinahe so "unbarmherzig" wie es seine Purists gewesen waren. Und was geschah? Er holte sich mit ihnen seinen 15. Weltmeistertitel und war dann lange Zeit in einer ungewöhnlich guten Form.

Meine persönliche Meinung ist, dass die stabileren Sigmas und die Phase 5 mit den Slim Flights einen wenn auch nur kleinen Beitrag dazu geleistet haben, dass Phil sein Selbstvertrauen wieder fand. Und als das Selbstvertrauen wieder da war, konnte er ein Setup benutzen, dass zwar etwas unempfindlicher war als seine Purists, aber dennoch charakteristisch für ihn mit der Spitze leicht nach oben im Board landete. Und diese lang-praktizierte Vertrautheit mit diesem Charakteristikum half ihm dann dazu, die Latte seines herausragenden Könnens noch höher zu legen.

Und jetzt zu Phils Formverlust Ende 2010, als er die Phase 5 benutze, gleichgültig, ob das nun mit persönlichen Umständen zu tun hatte oder nicht. Obwohl ihn einige Experten gleich wieder abschrieben, benutzte er wegen seines Siegeswillen - und auch seiner Bereitschaft dafür, alles zu verändern, was nötig ist - wieder modifizierte Sigma Barrels, wenn auch mit den von ihm bevorzugten DMX Flights, die nicht dafür gedacht waren.
Zuerst brachte ihm seine Veränderung nur geringen Erfolg, aber dann (unterstützt oder behindert durch meinen zögerlichen Vorschlag, dass solch unstabile Flights möglicherweise mit leichteren Schäften besser funktionieren würden), wurde es langsam besser und seine Durchschnitte krochen langsam wieder über 100. Danach war sein nächster Schritt, dass er zu den genau gleichen Darts zurückkehrte, die er zu Beginn seiner Formkrise benutzt hatte, was ihn endgültig wieder zu seiner Bestform zurück brachte.

Verhalf ihm also der befristete Wechsel zu den etwas stabileren Sigma wie bereits einmal vorher, dazu, sein Selbstbewusstsein zurück zu gewinnen und damit auch seine Form? Oder war es nur Zufall? Da kann man sich nicht sicher sein, aber es ist ganz klar, dass Siegen im Dartsport (und auch im Golf, aber vielleicht nicht bei der Formel 1) mehr mit dem Individuum zu tun hat, als mit der Ausrüstung.

Darüber hinaus hat es dann ab einem bestimmten Level anscheinend beinahe so viel mit der Gemütslage zu tun wie mit den Fähigkeiten. Und da kann sich natürlich die falsche Ausrüstung gleich zweifach negativ niederschlagen, weil sie einmal einfach nicht gut genug funktioniert zum anderen aber auch das Selbstvertrauen des Spielers untergräbt, der sie benutzt.

Und das bringt uns wieder zu der wesentlichen Frage zurück, ob die Dart Aerodynamik für Dich, den Spieler tatsächlich von Bedeutung ist. Meine Antwort darauf ist, dass ein Verständnis dafür eine wertvolle Hilfe dabei sein kann, das für Dich beste Dart Setup zu finden und dann - wenn Du es gefunden hast - hast Du genügend Selbstvertrauen, um alles andere darüber zu vergessen, wenn Du spielst.

Wie dieser Mann schon sagte "mach es nicht kompliziert. Es ist so schon schwierig genug."







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