Eigentlich hatte der Tag ganz ruhig angefangen – kaum Verkehr auf dem Weg zum Flughafen,
wunderschönes Wetter in London, genug Zeit um nach Bolton zu kommen, aber im Laufe des Abends
war es mit der Ruhe und Beschaulichkeit schnell vorbei.
In Stuttgart hatte es noch geregnet und war eher kühl, in London strahlte die Sonne vom blauen Himmel.
Ich fuhr mit dem Bus von Stansted in die City und ging dann zu Fuss zum Bahnhof. Da London sehr, sehr groß
ist, war ich ziemlich lang unterwegs…
Von London nach Manchester zu kommen und dann weiter nach Bolton ist mit dem Zug vollkommen problemlos,
dieses Mal habe ich die meiste Zeit verschlafen. Wir wollten ja endlich noch die Dartseite online stellen
und hatten am Abend lange daran herumgebastelt – es geht halt alles auch noch sehr langsam.
Endlich angekommen versorgte ich mich noch mit etwas zum Essen und ruhte mich im Hotel noch ein bisschen aus.
Es ist nicht sehr weit vom Reebok Stadion entfernt, so rund eine Viertelstunde zu Fuß.
Am Veranstaltungsort war es noch recht ruhig als ich ankam, lediglich der Presseraum wartete bereits
mit den üblichen Menschen auf. Aber das änderte sich schnell, die Halle füllte sich zusehends und bald fühlte
man sich wie eine Ölsardine in der Dose. Die Temperatur war auch nicht gerade niedrig – und sie stieg
immer weiter. Es herrscht immer eine ziemlich Anspannung, bevor das Turnier losgeht – anschließend wird alles
wieder Routine, jeder kennt ja die Abläufe seit Jahren.
Während der Vorrunde war es noch nicht allzu schwierig, das Geschehen im Auge zu behalten, aber schon
in Runde Eins wurde es problematisch.
Wie gesagt ich bin noch nicht allzu schnell im Umgang mit meiner
Dartseite – wenn dann an acht Boards gleichzeitig gespielt wird und die Paarungen unterschiedlich schnell
vorbei sind, wenn dann noch dazu kommt, dass zwei Spieler gar nicht antreten und einer, Chris Mason,
zurückzieht, findet dann plötzlich an Board 5 das vierte Spiel von Board 7 statt, während an Board 1, also
auf der Bühne, das dritte Spiel von Board sechs eingeschoben wird und dann muss man vollkommen ungeordnete
74 Spiele updaten. Da kam ich mehr ins Schwitzen als so mancher Spieler am Oche. Und wenn man dann auch noch
manche Klammern nicht richtig wieder zumacht, hat man beim Hochladen der Seite vollkommen überraschende
Ergebnisse – eine Viertelstunde hat es mich gekostet, bevor ich drauf kam, dass eine fehlende Klammer an
einem br mir an einer unerwarteten Stelle zusätzlichen Text auf die Seite gebracht hatte.
Der Abend war sehr sehr lang, es wurde bis nach weit nach Mitternacht gespielt – besonders beeindruckend war
sicherlich die große Anzahl an gut spielenden jungen Spielern. Außerdem habe ich gelernt, wie 180 in der
Gebärdensprache ausgedrückt wird(dazu werde ich in einem eigenen Artikel demnächst mehr sagen),
war mit Bier „getauft“ worden, hatte ein paar alte Bekannte gesehen, zum Sprechen war ich gar nicht gekommen,
und hatte es tatsächlich geschafft alle Ergebnisse auf der Seite unterzubringen.
Bis ich damit fertig war, war es nach zwei und im Hotel konnte ich wirklich nur noch ins Bett fallen. Um 7.30
würde die Nacht schon wieder vorbei sein...
Die Nacht war viel zu schnell vorbei….Nach einem ausführlichen englischen Frühstück, wobei ich allerdings
auf die Würstchen verzichtet hatte, überlegte ich mir, was ich mit dem freien Tag anfangen sollte.
Das Turnier würde erst abends um 19 Uhr weitergehen. Ich hätte natürlich auch wieder ins Bett gehen können,
aber dazu war ich schließlich nicht nach England gekommen.
Also räumte ich erst einmal auf der Seite vollends auf und machte mich dann auf den Weg nach Manchester.
Bolton selbst ist keine besonders interessante Stadt und das Reebok liegt auch gar nicht direkt in Bolton.
Zu Fuß braucht man über eine Stunde in die Stadt, mit dem Zug sind es zwei Stationen. Aber wenn man schon im
Zug sitzt kann man auch gleich nach Manchester fahren.
Manchester ist keine wirklich schöne Stadt, man sieht ihr die industrielle Vergangenheit noch deutlich an.
Es ist aber heute eine sehr lebendige Stadt mit sehr guten Einkaufsmöglichkeiten und auf jeden Fall einen
Besuch wert.
Ich schaffte es gerade noch vor Turnierbeginn wieder zurück nach Bolton.
Die Halle war noch voller als am Abend zuvor, die PDC hat anscheinend für die ersten beiden Abende mehr
Stehplatzkarten verkauft und dafür weniger Tische in den Saal gestellt und das Gedränge ist schon heftig.
Auch am zweiten Abend während der dritten Runde wurde noch an acht Boards gleichzeitig gespielt, es waren
aber „nur noch" 64 Spieler beteiligt, 32, die die Runde 2 überstanden hatten und die Top 32 des PDC UK Open
Order of Merit, die in Runde drei ihr erstes Spiel absolvieren würden. Zu Beginn gibt es immer so eine Art
Mini Walk-On, wobei die Spieler, die das erste Bühnenspiel absolvieren, getrennt auflaufen. Die Spieler der
folgenden Spiele tauchen einfach so an ihren Boards auf – die Spiele dauern ja unterschiedlich lange,
da ist ein gemeinsamer Walk-On gar nicht mehr möglich.
Board zwei ist immer auf einer kleineren Bühne untergebracht und immer besonders dicht umlagert – auch auf
Board zwei ist das Fernsehen immer dabei, wenn auch nicht das ganze Spiel zu sehen ist, während an den
restlichen Boards nur ab und zu mal eine mobile Fernsehkamera vorbeikommt. Ich hatte ein bisschen mehr Zeit
um mir die Spiele des zweiten Abends anzusehen und es fanden sehr viele gute Spiele statt, bei denen aber
auch schon viele der Top 32 gleich wieder ausschieden. Dennis Priestley, Mark Webster, John Part,
Mark Dudbridge, Steve Beaton und Michael van Gerwen gehörten mit dazu, wobei Priestley ein Weiterkommen
mit einer furiosen Aufholjagd nur knapp verpasste, während John Part schon wie der sichere Sieger aussah,
ihm dann aber die Puste ausging. Terry Jenkins musste eine bittere 1:9 Niederlage gegen Wes Newton
einstecken, während Michael van Gerwen wenigstens ein guter Auftritt auf der Hauptbühne gelang, er
allerdings gegen einen brillanten Gary Anderson keine Chance hatte.
Und Phil Taylor nutzte die Gelegenheit zu einem weiteren Rekord, nachdem er schon seinen Gegner Wayne Mardle
wirklich nicht als Herausforderung ansehen konnte, stellte er wenigsten seinen eigenen bisherigen Rekord
bei einem im Fernsehen übertragene Durchschnitt ein. 118.66 sind jetzt zu übertreffen.
Es war ein weiterer Abend voller guter Spiele, wobei sicher das Spiel von Gary Anderson und das von Phil
Taylor herausragten. Und mit Paul Warwick war sogar noch einer der Amateur Qualifikanten im Rennen und auch
der junge Ire William O’Connor, der erst seit April dieses Jahres den PDC Circuit mitspielt war in die
nächste Runde gekommen.
Na – zumindest die meiste Zeit. Außer dass es im Presseraum inzwischen Saunatemperaturen erreicht hat,
bei denen es schwer fällt klar zu denken.
Wenn man dann beinahe 13 Stunden dort verbracht hat freut man sich schon beinahe darüber, wenn es draußen
kühl ist, abends hatte das Wetter nämlich umgeschlagen und ein paar Regentropfen fielen auf dem Heimweg.
Dazwischen lagen also jede Menge Stunden Darts – es gab eine nachmittags und eine Abendsitzung mit den
Runden vier und fünf.
Im Presseraum ist es nicht immer so, dass alle Darts ihre ungestörte Aufmerksamkeit schenken. Der Reporter
vor mir tat alles Mögliche, überwiegend spielte er irgendeine Art von Online Poker. Ab und zu wird auch
gegessen, manchmal holt jemand Kaffee bei Starbucks für alle, wobei der Presseraum ohnehin ja rein PDC/Sky
Sport intern besetzt ist und die Leute schon seit Jahren auf den großen Turnieren zusammenarbeiten, zusammen
reisen und zusammen in irgendwelchen nicht immer erstklassigen Spielerhotels wohnen. Ich denke fast,
sie frühstücken auch zusammen….
Entsprechend ist auch der Umgang miteinander und ich bin meistens der
einzige „Fremdkörper“, wobei ich nicht klagen kann, oft genug bekomme ich auch ein Sandwich ab und werde in
die Witzeleien einbezogen. Inzwischen kennen mich ja auch alle schon, selbst die Leute vom Sicherheitsdienst. Das sind
auch immer die gleichen, die von der PDC angemietet werden.
Die Räume für die Spieler sind für mich aber nicht zugänglich. In Bolton liegen sie gegenüber des
Presseraums auch auf so einer Art offenem Zwischengeschoss und man kann hinüber schauen und zusehen,
wie die Spieler sich aufwärmen und wer schon alles da ist. Wobei ich aber meistens mit anderen Dingen
beschäftigt bin. Beim Grand Slam in Wolverhampton ist man viel näher an den Spielern dran, da man, um in den
abgeteilten Presseraum zu kommen, immer durch den Spielerbereich laufen muss. Und bei der
Weltmeisterschaft tauchen beinahe alle Spieler nach den Spielen im Pressezelt auf, um dort ihre offiziellen
Kommentare abzugeben.
Aber zurück nach Bolton.
Die vierte Runde wurde noch an vier Boards ausgetragen, die anderen Boards waren über Nacht abgebaut worden,
und die Zahl der Stehplätze war geschrumpft. Für die fünfte Runde wurden die letzten zwei Floorboards in
der Pause auch noch ausgebaut und man durfte sich nicht mehr überall hinstellen, eigentlich nur noch in
den Bereich der Nebenbühne.
Für den letzten Amateur und auch für den jungen irischen Spieler war in der vierten Runde das Turnier
vorbei, wobei es Paul Warwick fast noch eine Runde weiter geschafft hätte und nur denkbar knapp gegen einen
nicht besonders überzeugenden Kevin McDine mit 8:9 verlor.
Dafür spielte sich so langsam ein anderer Spieler in den Vordergrund – der mehr oder weniger unbekannte Tony
Ayres. Gary Anderson lieferte sich mit Paul Nicholson und später mit Mervyn King einen offenen
Schlagabtausch – noch nicht einmal der Neun-Darter von Mervyn King konnte ihn aufhalten. Paul Nicholson, der eigentlich
ein wirklich umgänglicher Mensch ist, dehnte den Schlagabtausch leider Richtung Publikum aus, was da genau ablief
konnte man aus dem Presseraum heraus auch nicht sehen. Beindruckend fand ich auch Denis Ovens, vielleicht hat er ja wirklich
Recht und ist der am meisten unterschätzte Spieler der PDC....
Im großen und ganzen fand ich das Publikum in Bolton sehr fair.Es wurde zwar viel getrunken, aber die Zuschauer blieben
bis auf kleinere Rangeleien doch friedlich und der Sicherheits-Dienst hatte überwiegend damit zu tun, Leute die sich zum Jubeln
auf die Stühle stellten, wieder zum Hinsetzen aufzufordern. Wenn ein Spieler ausgebuht oder ausgepfiffen wurde, geschah
das überwiegend während des Walk-On, während der Spiele hielt es sich in Grenzen.
An diesem Abend war das Turnier relativ früh zu Ende. Schon kurz nach Mitternacht war ich auf dem Weg zurück ins Hotel.
Die Straßen waren wie ausgestorben, der Pub an der Ecke schien auch schon zu schlafen, lediglich ein ganz kleines
Kaninchen hoppelte mir über den Weg.
Auch wenn am letzten Tag ja immerhin noch sieben entscheidende Spiele gespielt wurden, hatte man schon
am Vormittag den Eindruck, es ist eigentlich schon vorbei. Das fängt immer schon damit an, dass im Gegensatz
zu den anderen Tagen der Presse Raum leer ist, wenn ich dort auftauche. Die meiste Arbeit ist ja schon getan.
Ich hatte alle Plätze zur freien Verfügung als ich ankam, lediglich in der Halle waren schon einige
Leute aktiv. Sie legten neue weiße Tischdecken auf die Tische, schraubten an den Scheinwerfern herum und
bestückten den Unicorn Stand.
So konnte ich schon ein bisschen weiter an der Seite basteln, bevor sich die ersten anderen Presseraum
Bewohner einstellten.
John McDonald, der immer viel zur Unterhaltung aller beiträgt, kam gleich mit seinem gesamten Gepäck an und
verwandelte sich erst einmal vom durchschnittlichen T-Shirt Träger in den bühenenfeinen MC.
Einer der PDC Mitarbeiter schleppte die Pokale an, die jeder genau in Augenschein nahm. Ich bin nicht
dahinter gekommen, ob sie jedes Mal neu hergestellt werden oder nur graviert werden, das werde ich beim
nächsten Mal herausfinden.
Dave Allen, sonst immer der Erste der kommt und der Letzte der geht, tauchte auch irgendwann auf.
Auch der Spielerraum gegenüber, war inzwischen sehr leer geworden….
Bevor es losging machte ich noch Bekanntschaft mit den Wasserhähnen in der Toilette. Die sanitären
Anlagen in England sind für uns Deutsche ohnehin immer gewöhnungsbedürftig. Dieser Wasserhahn lieferte
gleichzeitig noch eine Ganzkörperdusche – glücklicherweise hatte ich meinen Photoapparat nicht dabei….
Am letzten Tag werden immer alle Spiele auf der Hauptbühne gespielt und der Sicherheitsdienst achtet darauf,
dass außer beim Walk-on die Leute nicht irgendwo herumstehen. Man wird gleich aufgefordert sich hinzusetzen,
was keine Schwierigkeiten bereitete, da der Saal an den hinteren Tischen bei weitem nicht voll besetzt war.
Ich hätte schon damit gerechnet, dass das Turnier ausverkauft wäre, war es aber nicht.
Ohnehin stelle ich immer wieder bei solchen Veranstaltungen fest, dass der Freitagabend der am besten
besuchte Abend ist. Schon samstags ist weniger los und an Sonntagen noch weniger.
Heute bekamen alle Spieler ihren Walk-On samt Walk-On Girl allerdings ohne Nebelmaschine. Die Stimmung war
gut, es gab eine Reihe hochklassiger Spiele zu sehen, wobei vor allem Anderson im Finale dann doch müde
wirkte – drei schwere Spiele an einem Tag bei einem Major Turnier sind schon anstrengend.
Zum Finale setzte ich mich in die Halle, da gab es nämlich noch ein paar deutsche Bekannte, unter ihnen
Jyhan Artut, mit dem ich demnächst ein Interview für Globaldarts führen werde. Unterhalten
kann man sich in der Halle mehr oder weniger gar nicht, da muss man die ganze Zeit schreien.
Heute Morgen beim Frühstück saßen auch ein paar Fans herum, die sich anhörten, als hätten sie genau das getan….Aber man bekommt die Stimmung hautnah mit und das ist auch einmal schön.
Noch während des letzten Spiels begann hinter den Kulissen der Abbau. Im Pressraum herrschte
Aufbruchstimmung. Man wartete noch, bis man den Finalteilnehmern gratuliert hatte oder von ihnen
Statements eingeholt hatte, dann leerte sich der Presseraum schlagartig.
Ich trug wenigstens noch rasch das Ergebnis des Finales nach, da erschien aber auch hier schon das
Abräumkommando und kappte die Stromleitungen. Wie mir der zuständige Arbeiter erläuterte, braucht
das eingespielte Team höchstens vier Stunden, bis alles wieder abgebaut und verstaut ist. Dann werden die
Sachen eingelagert, bis die PDC Karawane zum nächsten Veranstaltungsort aufbricht. Blackpool ist die nächste
Station.