Würde man hier in England - vielleicht besonders im Raum Manchester - nachfragen, wen man denn unter die besten Torhüter der Welt zählt, würde mit
Sicherheit auch der Name Bertie Trautmann fallen. Ein deutscher Name, ein deutscher Torhüter und die Engländer betrachten ihn als einen der besten
Torhüter der Welt und das Jahrzehnte, nachdem er seine Laufbahn beendete? Dahinter verbirgt sich eine ziemlich ungewöhnliche Lebensgeschichte, die
auch ein Beispiel dafür ist, dass und wie Völkerverständigung unter schwierigsten Bedingungen gelingen kann.
Bernd Trautmann wurde 1923 in Bremen geboren. Schon sehr früh zeigte er Interesse an Sport, vor allem am Fußball und trat mit 8 Jahren in den
Verein Tura Bremen ein. Dort spielte er im Mittelfeld. Da er sehr sportlich war, führte ihn sein Weg - in der damaligen Zeit fast unausweichlich -
in die Hitlerjugend. Er war so überzeugt von der Ideologie, dass er sich mit 17 Jahren freiwillig zur Luftwaffe meldete und dann als
Fallschirmjäger in Frankreich und an der Ostfront kämpfte. In Russland geriet er kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs in englische
Kriegsgefangenschaft und kam in ein Umerziehungslager in England. Mehrmals wurde er verlegt, aber in allen Lagern wurde unter anderem auch
Fußball gespielt und als eines Tages ein Torwart fehlte sprang der Mittelfeldspieler Trautmann ein.
Trautmann, der selbst immer sagt, seine eigentliche Erziehung hätte erst in England stattgefunden, gefiel es so gut in England, dass er auch
nach der Entlassung aus Kriegsgefangenschaft blieb. Er spielte als Torwart für St. Helens Town, wo er bei einem Freundschaftsspiel Manchester
City ins Auge stach. Dort war man ohnehin gerade auf der Suche nach einem Nachfolger für Frank Swift, der damals englischer Nationaltorhüter war
und seine Karriere beenden wollte.
So wurde Trautmann ab der Saison1949/50 als Torwart verpflichtet - damals in England ein Eklat. So kurz nach dem Ende des zweiten Weltkriegs
waren Deutschland und die Deutschen alles andere als beliebt und dann wurde ein Deutscher Nachfolger des Nationaltorhüters bei einem der
renommiertesten englischen Fußballvereine! Es hagelte Protestbriefe, viele Fans gaben ihre Dauerkarten zurück, Trautmann wurde ausgebuht.
Aber ganz langsam stahl sich "Bertie" in die Herzen der Fußballfans. Er bestach durch seine physischen Eigenschaften er war groß, blond,
athletisch und sah gut aus. Auch seine Persönlichkeit und seine Leistung überzeugten, obwohl er als aufbrausend galt.
Bis 1956 war er soweit im Ansehen der Engländer gestiegen, dass ihn seine Kollegen zum "Fußballer des Jahres" wählten.
John Gwynne, einer der Sportkommentatoren von Sky Sport schildert seine erste Begegnung mit seinem Sportidol folgendermaßen: Wir waren eine Gruppe
Jugendlicher so um die 12 Jahre alt und wir wusste, dass Trautmann an einer Autowerkstatt beteiligt war, die ganz in unserer Nähe lag. Also trieben
wir uns immer wieder dort herum, in der Hoffnung, ihn einmal zu Gesicht zu bekommen. Und tatsächlich, eines Tages war er da. Wir trauten uns
zunächst nicht weiter heran, Bertie hatte uns aber längst entdeckt. Schließlich fasste sich doch einer ein Herz, ging zu ihm hin und bat um ein
Autogramm, wir anderen schlossen uns an. Wir bekamen unsere Autogramme und gingen ganz stolz nach Hause.
Dann, einen Tag nach der Verleihung der Auszeichnung zum Sportler des Jahres ereignete sich etwas, was Trautmann endgültig zum Sporthelden machte.
Manchester City bestritt an diesem Tag im Mai 1956 das Finale des FA Cups gegen Birmingham im alten Wembley Stadion vor
100 000 Zuschauern.
Natürlich stand Trautmann im Tor. Eine Viertelstunde vor Ende der Partie zog er sich bei einer Parade eine Verletzung am Rücken zu, spielte
das Spiel aber zu Ende. Manchester City holte sich den Cup mit einem 3:1 Sieg. Als man Trautmann später wegen seiner Rückenbeschwerden untersuchte,
stellte es sich heraus, dass er sich einen Genickbruch zugezogen hatte. Dass er ihn überlebte und sogar noch weiter spielen konnte, ist ein
medizinisches Wunder.
Bis 1964 spielte Trautmann bei Manchester United und verpasste kaum ein Spiel. In die deutsche Nationalmannschaft wurde er nicht berufen. Damals
war es noch nicht so verbreitet, dass Spieler im Ausland spielten und wenn, kam man gar nicht auf den Gedanken, sie in die Nationalmannschaft zu
berufen.
Trautmann ist Manchester City bis heute eng verbunden und reist noch immer mehrmals im Jahr dorthin. Heute lebt er - ein wärmeres Klima
bevorzugend - in Valencia.
Nach seiner aktiven Laufbahn arbeitete Trautmann noch einige Zeit für Manchester City, trainierte dann eine Saison lang Preußen Münster und
stattete auch der deutschen Nationalmannschaft einmal einen Besuch ab. Viele Jahre war er als Botschafter des Fußballs und als Berater in Ländern
wie dem Jemen, Pakistan, Libyen, Tasmanien und Burma.
Trautmann erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter auch das Bundesverdienstkreuz, und 2004 verlieh ihm die britische Königin den OBE für seine
Verdienste um die deutsch-englische Verständigung.
2004 war auch das Jahr, in dem Trautmann die Trautmann Foundation gründete, eine Stiftung, die die deutsch-britische Freundschaft durch den
Fußball fördern soll, etwas was Trautmann immer noch sehr am Herzen liegt, auch wenn es heute keine Probleme mehr gibt, wenn ein deutscher
Fußballspieler auf einem englischen Rasen antritt. Und das ist sicher auch mit ein Verdienst von Bertie Trautmann.