Boards zum Weinen...

Nachdem ich meinen acht Blogs umfassenden Auffrischungskurs über die Dynamik der Dart Flights beendet hatte, ruhte ich mich zufrieden auf meinen Lorbeeren aus (na ja, auf einem Schweizer Hotel Sofa), als auf meiner roten Unicorn Hotline ein Anruf einging. Der Big Boss, der eine schon beängstigende Entschlossenheit an den Tag legt, dass sein Familien Unternehmen nur die allerbeste Ausrüstung produziert, wollte, dass ein unvoreingenommenes, wissenschaftliches Auge einen Blick darauf wirft, warum einige Spieler sehr viel mehr Bounceouts haben als prozentual zu erwarten wäre (ich rede da von NRDs = Non-Retained Darts) und die darüber verständlicher Weise alles andere als glücklich sind. Zurück in Blighty trat ich dann in Aktion.

Die heutigen qualitativ hochwertigen Boards werden aus einem natürlichen Material hergestellt, Sisal Fasern, was bedeutet, dass es unvermeidlich ist, dass Härte und Dauerhaftigkeit von Board zu Board Unterschiede aufweisen. Und so versuchen auch alle Top Hersteller, die Produktion- und die Qualitätssicherheits-Techniken ständig zu verbessern, damit ihre Produkte auf einem gleichbleibend hohen Standard sind. Trotzdem muss man natürlich zugestehen, dass sogar der sorgfältigste Hersteller das ein oder andere Dartboard herstellt, das nicht dem Standard entspricht oder das durch die Lagerung einfach so wird. Das zeigt sich auch an den gelegentlichen Anfragen ein Board auszuwechseln, das als zu hart, zu weich oder was auch immer befunden wird und zwar sowohl bei PDC als auch bei WDF Events.

Nach dieser Vorrede muss ich aber hinzufügen, dass NRDs tatsächlich weniger oft vorkommen, als ich es erwartet habe, die meisten Spieler haben noch nicht einmal einen pro Spiel. Ich habe das selbst überprüft und mir Stunden lang Videos angeschaut ( wie der Titel des Blogs schon andeutet, war es nicht unbedingt eine spannende Aufgabe!). Glücklicherweise half mir auch die PDC, die mir einige historische Daten zu NDRs pro Spiel geben konnte. Auch wenn das nicht unbedingt eine tolle Kennzahl ist, da die Spiellänge große Unterschiede aufweist, wurden . NRDs von 2013 bis Juni 2019 aufgezeichnet. Der Durchschnitt liegt bei 0.977 und man kann einen leichten Aufwärtstrend entdecken. Meine Hypothese ist, dass es an der weiter zunehmenden Treffer Genauigkeit liegt und daher durch das Aufeinandertreffen von Dart auf Dart und den Berührungen mit den Drähten der Trippel 20 und des Bullseyes. Es könnte auch daran liegen, dass die Profis zunehmend mit einem bestimmten Typ Dart spielen(meiner Ansicht nach nicht unbedingt immer gerechtfertigt). Davon später mehr!

Mir kam ebenfalls auf der NRD Daten Front der Held der PDC Statistik, Ochepedia, auch bekannt als Chris Kempf, zur Hilfe. Chris hat die NRD Daten alles PDC Spieler analysiert und eine Tabelle über die Top 32 angefertigt. Hier liegt der Durchschnitt ungefähr bei 3,5 bei 1000 Darts oder 0,35 Prozent, was ziemlich genau dem von mir bereits erwähnten Match Durchschnitt von 0.977 entspricht.

Kempfs Liste zeigt aber auch, dass einige Spieler beständig mehr NRDs haben als andere, manchmal 4 oder fünf Mal mehr. Der Dynamacist in mir vermutet, dass das an dem Winkel liegt, in dem die Darts eines Spielers ins Board treffen und ganz einfach auch daran, wie lang sie sind. Ein Dart, der mit der Spitze scharf nach unten landet, kann viel leichter von den niedrig-profiligen Drähten oben und unten am Board abprallen, also zum Beispiel der Tripel 20, besonders dann wenn sein Trägheitsmoment stark transversal ist und wenn er dadurch vielleicht ein signifikantes Überschlags Momentum besitzt. Darüber hinaus kommen sich längere Darts auch viel leichter in die Quere. Bezeichnend ist, das laut Ochepedias Analyse der zweite Dart eines Spielers siebenmal wahrscheinlicher ein NRD ist, als der erste und der dritte noch einmal doppelt so häufig.

Das sollten wir im Hinterkopf behalten, wenn wir einen Blick auf die Spieler werfen, die sich am Ende von Kempfs Liste befinden - zum Beispiel dem armen Benito van de Pas.

Lange Darts mit großen Flights liegen bei den Profis allerdings im Trend und einer von denen, der sie liebt, ist auch der Unicorn Star Michael Smith. Und tatsächlich findet man auch ihn am Ende von Kempfs Liste und er hat in seinen Spielen auch einen hohen Prozentsatz an NRDs aufzuweisen. So habe ich die Gelegenheit genutzt und einmal einen Blick auf die Aufzeichnungen vom World Series Event in Las Vegas geworfen, um zu versuchen herauszufinden, was mit Bully Boys Darts eigentlich passiert.

Und tatsächlich, in seinem ersten Spiel hatte Michael unglaubliche 6 NRDs. Sogar Nathan Aspinall, ein Spieler, der ebenfalls unter dem Bounceout Blues litt, hatte nur einen, direkt vom Bulls Draht, bei seinem Spiel gegen Shawn Brenneman, der wie Michaels Gegner, Jim Long, keinen einzigen hatte durch seine flacher landenden Darts. Als ich einen näheren Blick auf Michaels NRDs warf, schien es mir, dass bis auf seinen letzten (der ähnlich wie Nathans den Draht des Bulls traf), dass alle anderen 5 direkt den Draht der Tripple 20 oder knapp daneben trafen. Ich vermute, dass die ersten Treffer seine Darts etwas stumpfer machten und den Draht dazu noch etwas eindrückten, so dass nachfolgende NDRs noch wahrscheinlicher wurden.

Übrig bleibt dann noch Michaels erster NDR in Vegas, der zu Beginn seines zweiten ,Spiels gegen Jim Long stattfand. Bei näherer Überprüfung kann man gerade noch den geisterhaften Schatten seines dritten Darts, der Richtung Draht der Tripple 20 unterwegs ist, ausmachen (unglücklicherweise konnte ich kein besseres Bild erhalten) In seinem nächsten Match und in den Halbfinalen hatte Michael erst drei NRDs und dann zwei bei seinen Siegen über die Abpraller-freien MVG und Gerwyn Price. Im anderen Halbfinale gab es lediglich einen von Peter Wright, der am Ende des vorherigen Dart abzuprallen scheint.

So verstärkt meine kleine Untersuchung den Gedanken, dass häufige NRDs öfter auf den Spieler zurückzuführen sind, als auf das Board. Das bedeutet aber nicht, dass tatsächlich irgendetwas Unerwünschtes in der Technik der Profis stattfindet, die üblicherweise einen hohen Prozentsatz an NRDs haben. Man könnte im Gegenteil argumentieren, dass sie besonders beständig und treffsicher sind und dass darüber hinaus durch ihren Wurf ihre Darts geschmeidig dem Abwärtsbogen der Flugbahn beim Auftreffen folgen - die Spitze des Darts, der in einem leichten Winkel zu seiner Fahrtrichtung ist, könnte leichter von einem Draht abprallen als es der Fall ist, wenn der Dart ganz geradeaus unterwegs ist.

Wie Ochepedias Dart für Dart Analyse andeutet, geschehen viele NRDs, wie der erwähnte von Snakebite, nicht wegen der Drähte sondern wegen der vorhergehenden Darts. Hier sehe ich ein klassisches Beispiel aus dem PDC Weltmeisterschaftsfinale von 2015, wo bei Gary Anderson eine 180 auf seinem Weg zum Sieg wieder aus dem Board fällt. Man kann kaum das Board dafür verantwortlich machen, wenn drei Darts versuchen ins gleiche Loch zu passen! Und genauso wenig wie man Gary auch raten kann weniger genau zu sein, um solche Unglücke zu vermeiden, denke ich, dass Michael Smith oder irgendjemand anderes seinen Wurf wegen der NRDs verändern sollte. Eine Veränderung im Setup könnte vielleicht im Laufe der Zeit helfen, aber so frustrierend die Darts auf dem Boden auch sein mögen, ist doch der beste Rat, seine Technik und seine Einstellung dauerhaft beizubehalten.

Daher hat es auch Michael gut gemacht und so das Finale in Las Vegas erreicht. Dort zeigte er eine gute Leistung gegen einen beflügelten Nathan Aspinall! Beide Spieler hatten im Finale einen NRD, so dass in den neun Spielen, die ich analysierte insgesamt 19 NRDs stattfanden, also etwas mehr als zwei pro Spiel, was einer Ereignisrate von 0.59 Prozent entsprecht. Wenn man Michaels vier Spiele aus der Abrechnung herausnimmt, hat man noch sieben NRDs in fünf Spielen und damit 0.39 Prozent.

Wenn jetzt also viele Bounceout Goldgrubentatsächlich weniger ein Ergebnis von Boards unter dem Standard sind, sondern eher ein Konflikt zwischen der Bauweise der modernen Standard-Boards und den spezifischen Eintrittskriterien der Darts mancher Spieler was kann man dann dagegen tun? Nun, wie bereits vorher erwähnt, sind alle Top Hersteller immer dabei zu untersuchen, wie man die Qualitätssicherung und die Techniken der Board Herstellung weiter verbessern kann - ganz egal ob das nun die Drahtspinne oder die Sisal Bündel betrifft, die zusammengepresst werden, um die Hauptstruktur des Boards zu bilden. Ein Problem ist es allerdings, dass einige Spieler versuchen das Problem mit NRDs durch besonders aggressive Spitzen zu lösen, die beim Herausziehen aus jedem Sisal Board Fasern mit herausziehen. Aber dieses Thema verdient einen eigenen Blog!







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