Nachdem die Viertelfinal-Teilnehmer alle bekannt waren, war irgendwie die Spannung am Finaltag nicht mehr wirklich da. Es schien ja nur noch darum zu gehen, wer gegen van Gerwen im Finale stehen würde, das der Niederländer sowieso gewinnen würde. Aber man hoffte wenigstens auf unterhaltsame und interessante Spiele.
Gleich im ersten Viertelfinale zwischen Andrew Gilding und Martin Schindler erfüllte diese Hoffnungen sich aber nicht wirklich. Bei dem jungen Deutschen war irgendwie die Luft raus, er war weit entfernt von seinen vorherigen Leistungen - sein Durchschnitt war nicht mehr so hoch und auch die Doppel traf er nicht mehr. Auch wenn Andrew Gilding schon ein unangenehmer Gegner ist, ein bisschen mehr hatte man sich von Schindler schon erwartet. So ging er mit 4:10 unter und Gilding stand zum zweiten Mal in seiner Karriere in den Halbfinalen der UK Open.
Nathan Aspinall machte es im zweiten Halbfinale etwas besser, aber er tat auch nicht genug, um Michael van Gerwen Probleme zu machen. Dabei spielte auch der Niederländer nicht fehlerlos, warf immer wieder einmal niedrige Scores und brauchte auch beim Ausmachen nicht nur einmal mehrer Anläufe, bis sein Dart im Doppel saß.
Das dritte Viertelfinale verlief etwas überraschender. Viele hatten ein Van Gerwen/Cross Finale erwartet oder erhofft, aber Cross brauchte viel zu lange, bis er halbwegs in Schwung gekommen war und da war für ihn gegen den weiter überzeugenden jungen Tschechen Adam Gawlas nicht mehr zu holen.Wobei Gawlas Sieg schon eine kleine Überraschung war
Auch das letzte Viertelfinale erfüllte die Hoffnung auf ein gutes Spiel nicht wirklich. Richie Burnett konnte leider nicht noch einmal zaubern. Dimitri van den Bergh war einfach zu stark, obwohl es auch von ihm kein überragendes Spiel war.
Noch einmal wurde ausgelost - in den Halbfinalen würde zuerst Adam Gawlas gegen Andrew Gilding spielen und danach Dimitri van den Bergh gegen Michael van Gerwen. Es schaute immer mehr nach van Gerwens viertem UK Open Sieg aus, es schien ja kein Spieler mehr im Rennen zu sein, der ihn auch nur andeutungsweise gefährden konnte, trotz seiner immer wieder schlampigen Scores und seiner Fehler auf die Doppel.
In der Pause hatten sich alle noch mal gestärkt, auch die Spieler waren vorübergehend aus dem Gebäude verschwunden.
Dann ging es weiter und fühlte sich ein bisschen so an, als ob man van Gerwen auch gleich die Trophäe in die Hand drücken könnte, ohne noch Halbfinale und Finale über sich ergehen lassen zu müssen.
Zuerst kamen Adam Gawlas und Andrew Gilding auf die Bühne - zwei vom Wurf Rhythmus her recht ähnliche Spieler, die beide immer verhältnismäßig unbeteiligt und mit Pokerface unterwegs sind. Gawlas war nicht in der Lage Gilding gefährden zu können, er spielte sein wohl schwächstes Spiel des Turniers. Er traf zwar seine Doppel weiter recht gut, hatte aber insgesamt zu wenig Chancen auf Doppel zu werfen. Gilding gewann mit 11:6 und stand im Finale.
Im zweiten Halbfinale war van den Bergh gegen van Gerwen ähnlich chancenlos wie Gawlas gegen Gilding und noch schlechter auf die Doppel. Er hätte Chancen gehabt, denn beim Niederländer lief es auf den Doppeln auch nicht so besonders und auch mit den hohen Scores nicht. Warum van den Bergh nicht in der Lage war, das für sich zu nutzen, weiß ich nicht. Vielleicht hat er zu viel Respekt vor dem Niederländer, vielleicht war er einfach inzwischen nach dem langen Turnier auch zu müde. Vielleicht hatte er sich schon von vornherein keine Chance ausgerechnet.
Und so kam es zu einem Finale zwischen Michael van Gerwen und Andrew Gilding. Trotz allem, was wir von Gilding bei diesem Turnier schon gesehen hatten, schien der Ausgang des Finales eigentlich festzustehen, weil man davon ausging, dass van Gerwen einfach in der Lage sein würde, einen Gang höher zu schalten, sollte es nötig sein. Am meisten hatte ihn noch Dave Chisnall in der vierten Runde gefordert, sonst war sein A-Game im Laufe des Turniers gar nicht nötig gewesen. Vielleicht hatte sich van Gerwen gegen Gilding in falscher Sicherheit gewiegt, ihn einfach nicht Ernst genommen, auf jeden Fall lief das Finale nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Gilding war einfach nicht abzuschütteln. Unbeeindruckt spulte er sein Spiel ab, geriet nicht in Panik oder gab auf, als er in Rückstand geriet - es war schon beeindruckend. Er glich zum 9:9 aus, zum 10:10 und auf einmal war es doch noch spannend geworden. Van Gerwen spielte kein schlechtes Entscheidungsleg, aber Gilding warf eine strategisch günstige 180 und konnte sich so sogar noch ein 40 Finish stellen, was ein Lächeln auf sein Gesicht zauberte. Und dann machte er seine 40 Punkte Rest auch noch aus während der Niederländer auf seinen 16 Punkten Rest sitzen blieb. Wie es immer so schön heißt - ein Dartspiel ist erst vorbei, wenn der letzte Dart geworfen ist. Das hatte sich wieder einmal bewahrheitet.
Damit waren nach drei vollen Darttagen die UK Open 2023 Geschichte. Sie waren ein an Überraschungen und Höhepunkten reiches Turnier mit einem überraschenden Sieger. Das Finale wird ebenso in Erinnerung bleiben wie Richie Burnetts Einzug in die Viertelfinale, das erste Viertelfinale eines deutschen Spielers bei diesem Turnier, die Leistung des jungen Tschechen Adam Gawlas und die tollen Spiele von Luke Littler und Thomas Banks, die beide erst 16 Jahre sind. Und das Turnier zeigte auch, dass man mit harter Arbeit weit kommen kann, denn die ist es, worauf Gilding seinen Erfolg zurückführt.